Wie Covid-Patienten wieder fit werden


Sächsische Zeitung

Sächsische Zeitung, Lokalausgabe Radebeul vom 13. März 2021, S. 17 / Text: SZ/Peter Redlich

Die Radeburger Reha-Fachklinik ist eine der wenigen in Sachsen, in der ältere Menschen sehr gezielt betreut werden. 

Der alte Herr hat es sichtlich schwer. Drei Schritte neben dem Bett und er muss schon wieder stehenbleiben. Covid-19 hat ihn im wahrsten Sinne des Wortes umgehauen. Drei Wochen mit Intensivbehandlung und jetzt anschließender Reha-Aufenthalt in den Radeburger Fachkliniken. Ältere Menschen haben es besonders schwer, die Krankheit zu bewältigen. Dr. Birgit Hegewald, Chefärztin der Rehabilitationsklinik, ist eine Spezialistin für Alters- und Ernährungsmedizin. Ihr Team, bestehend aus sechs weiteren ÄrztInnen und 38 Schwestern und Pflegern, weiß, was Menschen guttun kann, damit sie auf die Beine kommen und weitgehend ihr normales Leben führen können.

Frau Dr. Hegewald, welche Patienten werden in der Rehaklinik in Radeburg aufgenommen?

Wir sind auf die geriatrische Frührehabilitation - und Rehabilitation spezialisiert. Das heißt, wir übernehmen ältere Patienten aus Akutkliniken, die weiter behandelt werden müssen. Das sind üblicherweise Menschen ab 70 Jahren aufwärts.

Menschen ab 70 Jahren, ist das die Mehrzahl derer, die mit dem Virus schwer erkranken?

Ja, das ist die tragische Realität. Patienten mit einem höheren Alter sind sehr oft durch Vorerkrankungen bereits belastet. Mit unserer Erfahrung können wir deshalb auf die schweren Verläufe besonders gut eingehen. Wir behandeln ältere Menschen bereits seit 1994 - schon lange, bevor es Covid-19 gab.

Wie ist der Zustand der Patienten, die zu Ihnen in die Klinik kommen?

Oft müssen sie noch mit Sauerstoff versorgt werden. Mit einer Nasenbrille werden sie entweder an einen Sauerstoffkonzentrator angeschlossen oder mit dem Anschluss neben dem Bett an der Wand. Die Patienten sind sehr geschwächt und können nicht selbstständig laufen. Oft haben sie noch wenig Appetit, mitunter ist ihnen übel. Manche sind auch verwirrt, haben ein sogenanntes Post-Covid-Delir, ein Durchgangssyndrom. Das tritt bei vielen auf, die lange auf einer Intensivstation waren. Husten, Luftnot bei Belastung, das haben auch viele Patienten.

Was bedeutet Belastung bei einem Covid-Patienten?

Wenn jemand laufen will. Es reichen dann schon ein paar Schritte im Zimmer, um nach Luft schöpfen zu müssen. Das ist die Schwäche, die durch die virale Lungenentzündung entsteht, aber auch durch den enormen Muskelverlust. Der ist bei älteren Patienten besonders groß und tritt schon nach zwei bis drei Tagen ein. Manche haben drei bis vier Wochen gelegen. Deshalb ist der Aufbau der Physis in unserer Reha ein wichtiger Schwerpunkt, um die Selbstständigkeit des Patienten möglichst wieder herzustellen.

Wie lange dauert es, bis sich ein Patient im Seniorenalter wieder normal bewegen kann?

Die besten Verläufe haben wir, wenn die Patienten zuerst zur Akut-Früh-Reha für drei Wochen bei uns sind und danach nochmals drei bis vier Wochen zur Rehabilitation.

Was wird hier mit den Patienten täglich gemacht?

Wir haben ein interdisziplinäres Team. Zum einen die medizinische Behandlung durch unsere Ärzte, mit dem Prüfen, welche Medikamente nötig sind. Inhalation gehört dazu. Sauerstoff, wenn es weiter notwendig ist. Auch eine reflektorische Atemtherapie in unserer Naturheilkundeabteilung gehört dazu und die Physio- und Ergotherapie.

Was ist reflektorische Atemtherapie?

Das ist eine spezielle Therapie mit Aromaölen. Diese hat Einfluss auf die Atemmuskulatur, auf unterschiedliche Regulationssysteme des Körpers.

Physiotherapie gehört zum Wiederherstellungsprogramm, das Laufen üben, Muskelaufbau, Kraft-Ausdauertraining am Ergometer zum Beispiel. Wir haben Gleichgewichtsübungsgeräte. In der Ergotherapie wird Feinmotorik trainiert, weil ja oft auch nach der Intensivstation die Nerven geschädigt sind an Händen und Füßen. Das muss alles wieder trainiert werden. Unsere Schwestern sind auch speziell geschult für die aktivierende therapeutische Pflege, also etwa sich waschen und anziehen. Dabei werden die Patienten nicht wie sonst im Krankenhaus gewaschen und angezogen, sondern es wird mit ihnen trainiert, dies Stück für Stück selber zu tun. Die Vorbereitung für zu Hause. Außerdem haben wir Neuropsychologen, die Gespräche führen. Bei Schluckproblemen kann es auch sein, dass Logopäden mitarbeiten. Solche Schluckprobleme können auftreten nach einer Langzeitbeatmung über einen Schlauch im Rachen.

Wie werden die Patienten auf ihr neues Leben zu Hause vorbereitet?

Dafür haben wir unseren Sozialdienst. Der agiert praktisch schon sofort mit Beginn der Aufnahme der Patienten. Wie war die Situation vor der Erkrankung und wie kommen wir mit dem Patienten wieder dahin, damit er wieder einen weitgehend normalen Alltag führen kann? Mitunter ist es auch nötig, einen Pflegedienst zu beauftragen, weil eben die Einschränkungen doch größer als vor Covid sind.

Wie viele Patienten mit Covid-Erkrankung hatten Sie bisher in der Klinik?

Wir hatten in der zweiten Welle viel mehr Patienten als im Sommer 2020. Bis heute waren es insgesamt 74 positive Akutpatienten. In der Früh-Reha hatten wir 30 Patienten und in der Reha etwa 20.

Sind Covid-Reha-Patienten noch ansteckend?

Das sagt uns der PCR-Test. Post-Covid-Patienten sind nicht mehr ansteckend. Alle anderen Patienten werden bei der Aufnahme, am dritten, am fünften Tag und dann aller sieben Tage getestet. Die ehemaligen Covid-Patienten werden nur bei der Aufnahme getestet - und wenn der Test dann negativ ist, erfolgt keine weitere Testung. Getestet würde dann nur noch einmal, wenn sich das Befinden verschlechtert.

Wie viele Patienten sind gestorben?

Von den Nach-Covid-Patienten niemand. Einige Patienten sind in der akuten Phase gestorben. Viele dieser Patienten wollten nicht auf eine Intensivstation verlegt werden. Leute im hohen Alter, meist mit Patientenverfügung. Andere, wo das nötig war, haben wir über die Corona-Leitstelle verlegt.

Hat ein Patient zwischen 70 und 80 Jahren mehr Chancen als einer zwischen 80 und 90 Jahren?

Das hängt wesentlich von den Vorerkrankungen ab. Wir hatten auch Patienten um die 90, die es gut überstanden haben. Das lässt sich nicht generell sagen.

Gibt es auch Menschen, die vorher richtig fit waren und dennoch schwer erkrankt sind an Covid?

Ja, die gibt es. Wir hatten jetzt dreimal solche Verläufe. Auch ganz tragisch, wo beide Ehepartner krank waren und einer verstorben ist. Einmal war es eine noch relativ junge Frau Ende sechzig. Das Ehepaar hatte gerade seine goldene Hochzeit auf einem Kreuzfahrtschiff gefeiert, war immer zum Camping aktiv an der frischen Luft und dann hat es beide erwischt. Nach drei Wochen Reha hat die Frau uns verlassen, weil sie zur Beerdigung musste. Sie hat zum Abschied gesagt, dass sie sich auf jeden Fall impfen lässt. Sie wünsche keinem, Ähnliches erleben zu müssen.

Kann man sich bei Ihnen in der Klinik impfen lassen?

Zum jetzigen Zeitpunkt geschieht das noch ambulant.

Hatte die Klinik Patienten, bei denen nicht nur die Lunge betroffen ist und wie oft?

Lungenembolien und Gerinnungsstörungen, das kommt schon relativ häufig vor. Bei mindestens 50 Prozent der Patienten, die schwer erkrankt sind. Wir hatten zum Beispiel eine Patientin, bei der auch die Leber angegriffen wurde.

Wie lange dauert es, wieder ohne Sauerstoffgabe klarzukommen?

Einige schaffen das schon bei uns, also innerhalb der drei Wochen. Andere müssen noch zu Hause Sauerstoff bekommen und werden dann vom Hausarzt begleitet.

Wie reagieren Patienten emotional auf die Behandlungen und das Training?

Wir bekommen viele positive Rückmeldungen. Eben, weil sich die meisten deutlich besser fühlen. Besonders, wenn sie wieder nach Hause können.

Interview: Peter Redlich

Bild: Sächsische Zeitung